In der Traumapädagogik geht es um ein Verständnis für die intrapsychischen Prozesse und die entsprechenden körperlichen Reaktionen auf extrem belastende Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen. Kennt man die Hintergründe ermöglicht es die jungen Menschen in ihrer Verletzlichkeit wahrzunehmen und die Sinnhaftigkeit des Verhaltens zu erkennen. Durch dieses Wissen können Traumatisierungen schneller erkannt und die individuellen Biografien besser verstanden werden. Unser Ziel ist es mit den Kinder und Jugendlichen gemeinsam geeignete Handlungsstrategien zu erarbeiten und den Betroffenen zu helfen, neue gesellschaftstaugliche Wege einzuschlagen.

Ein sensibler Ansatz

Die Grundlage der Traumapädagogik bildet eine wertschätzende und verstehende Haltung. Kinder und Jugendliche, die traumatische Erfahrungen gemacht haben, haben im Laufe der Zeit Überlebensstrategien entwickelt. Im Gruppenalltag ist es wichtig, diese Strategien zu erkennen, anzuerkennen und gemeinsam mit den betroffenen Kindern und Jugendlichen zu reflektieren. Dabei können neue, angemessenere Handlungs- und Lösungsstrategien sowie Verhaltensweisen mit ihnen zusammen entwickelt werden.

Weiterbildung für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Um sicherzustellen, dass die Prinzipien der Traumapädagogik im Alltag gelebt werden, wird jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin eine Weiterbildung in diesem Bereich ermöglicht. Kurz nach der Eröffnung unserer Einrichtung wird eine traumapädagogische Weiterbildung als Inhouse-Schulung für das gesamte pädagogische Personal durchgeführt. Diese Schulung beinhaltet theoretische Teile, Reflexionen und Supervisionen mit Expert*innen sowie Beobachtungen des Gruppenalltags durch externe Fachkräfte. Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten ihre Weiterbildungen in einem geeigneten Schulungszentrum. Das Erkennen eines Traumas verhindert eine Re-Traumatisierung der bei uns lebenden Kinder und Jugendlichen und führt zu einer Stärkung der Selbstfindung.

Risikofaktoren in Verbindung mit traumatischen Erfahrungen

Kinder und Jugendliche, die unter herausfordernden Lebensumständen aufwachsen, stehen oft vor einer Vielzahl von Risikofaktoren, die sowohl die Entstehung als auch die Folgen von Traumata beeinflussen können. Während Risikofaktoren nicht direkt mit traumatischen Erfahrungen gleichzusetzen sind, tragen sie dazu bei, dass diese Erfahrungen wahrscheinlicher auftreten und schwerwiegendere Auswirkungen haben können.

Einige der möglichen Risikofaktoren, die zu Traumatisierungen führen können, sind:

  1. Körperliche, sexuelle oder emotionale Misshandlung: Misshandlung in Form von Gewalt, einschließlich sexuellem Missbrauch, kann schwerwiegende traumatische Erfahrungen verursachen und das Wohlergehen des Kindes erheblich beeinträchtigen.
  2. Trennung/Scheidung: Die Trennung oder Scheidung der Eltern kann für Kinder mit Unsicherheit, Angst und Verlustgefühlen verbunden sein, die das Risiko von Traumatisierungen erhöhen können.
  3. Aufwachsen in Armut: Das Aufwachsen in Armut kann mit einer Vielzahl von Belastungen verbunden sein, darunter mangelnde Ressourcen, begrenzter Zugang zu Bildung und gesundheitlicher Versorgung, was das Risiko von Traumatisierungen erhöhen kann.
  4. Körperliche und/oder psychische Erkrankungen der Eltern: Wenn Eltern mit schweren körperlichen oder psychischen Erkrankungen kämpfen, kann dies die Fähigkeit zur angemessenen Fürsorge und Unterstützung ihrer Kinder beeinträchtigen und das Risiko von Traumatisierungen erhöhen.
  5. Drogen- und Alkoholmissbrauch der Eltern: Der Missbrauch von Drogen oder Alkohol durch die Eltern kann zu instabilem Verhalten, Vernachlässigung und Gewalt führen, was das Risiko von Traumatisierungen für die Kinder erhöht.
  6. Umzüge: Häufige Umzüge können mit Unsicherheit, Verlust von sozialen Beziehungen und mangelnder Stabilität verbunden sein, was das Risiko von Traumatisierungen erhöhen kann.
  7. Familiäre Disharmonien: Konflikte, Gewalt oder angespannte Beziehungen innerhalb der Familie können das Risiko von Traumatisierungen erhöhen und die Entwicklung des Kindes negativ beeinflussen.
  8. Väterliche und/oder mütterliche Abwesenheit: Die Abwesenheit eines Elternteils kann zu einem Mangel an Unterstützung, Stabilität und Aufsicht führen, was das Risiko von Traumatisierungen erhöhen kann.
  9. Vernachlässigung: Vernachlässigung, sei es in Form von mangelnder emotionaler Unterstützung oder mangelnder Fürsorge, kann schwerwiegende traumatische Erfahrungen verursachen und das Wohlbefinden des Kindes beeinträchtigen.
  10. Elterliche Kriminalität und Dissozialität: Wenn Eltern in kriminelle Aktivitäten involviert sind oder dissoziales Verhalten zeigen, kann dies zu einer unsicheren Umgebung für das Kind führen und das Risiko von Traumatisierungen erhöhen.
  11. Gewalt innerhalb der Familie: Die Zeugenschaft von Gewalt in der Familie, sei es zwischen den Eltern oder gegenüber den Kindern, kann zu schwerwiegenden traumatischen Erfahrungen führen.
  12. Schwere Erkrankung in der Kindheit: Eine lebensbedrohliche oder chronische Erkrankung in der Kindheit kann zu wiederholten traumatischen Erfahrungen führen und das Wohlbefinden des Kindes erheblich beeinträchtigen.
  13. Flucht/Migration: Kinder und Jugendliche, die vor Krieg, Verfolgung oder extremen Lebensbedingungen fliehen müssen, können häufig traumatisierende Erfahrungen machen, die mit ihrer Flucht und den Herausforderungen der Integration zusammenhängen.

Herausforderungen und Lösungsansätze

Traumatisierte Kinder und Jugendliche handeln oft impulsiv und unkontrolliert, was bei anderen Kindern auf Ablehnung stoßen kann. Dieses Verhalten führt häufig dazu, dass sie aus Gruppen ausgeschlossen werden. Zudem können traumatisierte Kinder dissoziative Zustände erleben und immer wieder traumatische Ereignisse durchleben. In solchen Momenten können sie ihr Verhalten nicht steuern und benötigen externe Unterstützung. In enger Zusammenarbeit mit Therapeuten entwickeln wir als Team Handlungsstrategien und erarbeiten gemeinsam mit den Kindern Übungen, die ihnen langfristig helfen, neue Bewältigungsstrategien zu erlernen und zu verinnerlichen. So können sie besser mit ihren traumatischen Erlebnissen umgehen.

Ein achtsamer Umgang

Ein wesentlicher Aspekt unserer Arbeit ist es, in Affektsituationen keine unmittelbaren Konsequenzen zu ziehen. Stattdessen werden diese erst dann entschieden, wenn sich die Situation beruhigt hat und das Kind / der Jugendliche in der Lage ist, sie anzunehmen. Dieser achtsame Umgang ermöglicht es den traumatisierten Kindern, in einem geschützten Raum zur Ruhe zu kommen und ihre Gefühle besser zu regulieren.

Fazit

Traumapädagogik bietet einen einfühlsamen Ansatz, um Kinder und Jugendliche mit traumatischen Erfahrungen zu unterstützen. Durch ein fundiertes Verständnis der Hintergründe können Traumatisierungen erkannt, die Biografien besser verstanden und angemessene Handlungsstrategien entwickelt werden. Die Weiterbildung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermöglicht es, diese Prinzipien im Alltag umzusetzen und den betroffenen Kindern neue Wege aufzuzeigen, um mit ihren Traumata umzugehen. Durch eine achtsame und wertschätzende Haltung können wir gemeinsam dazu beitragen, dass diese Kinder ihre Vergangenheit bewältigen und eine positive Zukunft gestalten können.